Das schienengebundene Verkehrssystem in Österreich entspricht weitgehend den Planungen und Umsetzungen des vor-vorherigen Jahrhunderts, obwohl sich die Raum- und Verkehrsstrukturen zwischenzeitlich stark gewandelt haben. Durch die Massenmotorisierung seit den 1950er Jahren veränderten sich sowohl das Verkehrsangebot durch Bau neuer Straßen, Knotenpunkten, Parkplätze etc. und gleichzeitiger Vernachlässigung des Bahnverkehrs als auch die Siedlungsstrukturen massiv. Zersiedelung, geringe Dichten (Bevölkerung, Arbeitsplätzte etc.), räumliche Funktionstrennung, Wegzug in die Peripherie etc. führten zu autogerechten Siedlungsstrukturen mit steigendem Aufwand für Erschließung, Ver- und Entsorgung und Energiekosten sowie negativen Umwelt- und Umfeldauswirkungen wie Unfälle, Verkehrslärm, Feinstaub, Trennwirkung etc.
Um diesen kritischen Entwicklungstrend umzukehren, wird im planerischen Diskurs insbesondere aus Sicht der Regionalplanung eine schienenorientierte Siedlungsentwicklung und Erreichbarkeitsoptimierung propagiert. Dieser Planungsansatz umfasst mehrere kombinierbare Strategien, wie Siedlungsentwicklung im Bahnhofsumfeld, Adaption des Stationsnetzes, Anpassung des Ausbaugrades und Verbesserung der Verkehrsverknüpfung.
Dennoch gelingt eine abgestimmte Siedlungs- und Verkehrsentwicklung aus verschiedensten Gründen nur selten, da es sich hierbei um eine sehr vielschichtige Herausforderung handelt (z. B. mangelnden Interesses von Eigentümern, schwacher Bindungswirkung der Regionalplanung, komplexer Akteurskonstellationen, fehlender Finanzierung).
Das Projekt BahnRaum verfolgt das Ziel, mit einem holistischen Forschungsansatz, eine schienenorientierte Siedlungsentwicklung und Erreichbarkeitsoptimierung zu forcieren.
BahnRaum befasst sich mit folgenden Leitfragen:
- Welche Strategien für eine schienenorientierte Siedlungsentwicklung, Bahninfrastruktur und deren verkehrlicher Anbindung (inkl. Maßnahmenkatalog nach Baukastenprinzip) existieren und wie lassen sich diese erfolgreich umsetzen?
- Wie können Planungs- und Stakeholderprozesse verbessert werden?
- Wie lassen sich Abstimmungsinhalte einer siedlungsorientierten Siedlungsentwicklung und Erreichbarkeitsoptimierung in Planungsinstrumenten verankern?
- Welche verkehrlichen und räumlichen Wirkungen lassen sich durch eine schienenorientierte Siedlungsentwicklung und Erreichbarkeitsoptimierung erreichen? Wie können dadurch mehr BahnkundInnen gewonnen werden?
Anhand von Fallbeispielen – den Pionieren – werden Erfahrungen und Erkenntnisse auch aus dem benachbarten Ausland aufgenommen und auf ihre Anwendbarkeit auf österreichische Verhältnisse hin untersucht. Aufbauend auf den oben genannten Analysen und entwickelten Methoden werden Pilotregionen und Pilotprojekte (2 bis 4 Regionen/Projekte) in Absprachen mit dem Auftraggeber genauer untersucht. Begleitend werden für diese Pilotregionen Rahmenstrategien erarbeitet und diskutiert, Testplanungen für Pilotprojekte erstellt und hinsichtlich ihrer verkehrlichen Wirkungen sowie des Planungsprozesses evaluiert. Aus den gewonnenen Erkenntnissen entsteht eine praxisorientierte, übersichtliche und kompakte Planungshilfe, die eine integrierte Weiterentwicklung von Siedlung und Bahn als Rückgrat einer nachhaltigen Entwicklung fördert.